Kurzgeschichten

Übergangsweise – Teil 5.

Azard

„Und du hast gestern nicht bloß zu tief ins Glas geschaut?“

Mahus zog eine Augenbraue hoch.

„Sicher habe ich das“, murmelte Runna, den Kopf unter dem Liegesofa. „Auch.“

Weil sich das Kaninchen auch dort nicht versteckt hielt, zog er den Kopf wieder hervor. Mit einem tiefen Seufzer erhob er sich und strich seine Robe glatt.

„Es kann sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben.“

Sein Blick schweifte durch den Raum. Dabei hatte er doch schon alles abgesucht.

Mahus legte den Kopf schief. „Dein mutmaßlich verfluchtes Kaninchen.“

„Genau das wollte ich dich überprüfen lassen“, erwiderte Runna, bemüht, sich von dem leisen Spott in Mahus´ Bemerkung nicht angegriffen zu fühlen.

Noch war ihre Freundschaft anscheinend nicht gefestigt genug. Es erklärte, warum er auch nach drei Jahren die Art des Hexers häufig noch als herablassend empfand.

„Der Verdacht lag nahe“, erklärte er. „Du hättest sehen sollen, wie es auf Paolos Vorschlag reagiert hat. Als hätte es jedes Wort verstanden. Die Art, wie es zu kommunizieren versuchte …“ Hilflos zuckte Runna mit den Achseln. „Ich hätte wetten können, dass es sich um eine Person gehandelt hat, die mit einem verfluchten Gegenstand in Berührung kam.“

Mahus schnaubte.

„Es wäre nicht die erste hexereibegabte Person, die aufgrund eines … Missgeschickes in einer angenommenen Form festhängt.“

So sehr er auch in der Miene des Hexers forschte, Runna konnte nichts erkennen, das ein Hinweis hätte sein können, ob jener vielleicht über ein eigenes Missgeschick sprach.

„Und auch nicht das erste Opfer einer hexereibegabten Person“, fügte Runna hinzu.

In Mahus´ Gesicht zuckte es. Kurz nur, aber das genügte.

Aus Angst, zu weit gegangen zu sein, vollführte Runna eine wegwerfende Geste.

„Tut jetzt aber auch nichts mehr zur Sache. Das Kaninchen ist fort und mit ihm jede Möglichkeit, eine der Thesen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.“

„Durch dein Büro zieht sich eine dünne Spur von Magie.“ Mahus bewegte eine Hand, als zöge er besagte Linie nach. „Sie nimmt ihren Anfang unter deiner Bettstatt. Dort endet sie auch. Wohin sie führt, vermag ich nicht zu erkennen.“

Runna folgte mit dem Blick der Hand seines Kollegen und rieb sich das Kinn. Dann zuckte er erneut mit den Schultern.

„Womöglich gelangt eins über mein Büro am Ende noch ins Faen-Reich. Wer weiß schon, wo diese dimensionsverschobenen Scharlatane ihre Übergänge versteckt haben.“

„Richtig“, erwiderte Mahus, „wer weiß das schon?“

Zylinderüberraschung_05

Möhre_one

Bonuspoem

Wege können sich verzweigen.

Ungeahnte Richtungen einschlagen.

Wohin sie führen,

wir erst erfahren,

wenn wir sie gegangen.

Möhre_two

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