Rezension

Kommunikation.

Kommunikation und Zusammenhalt sind gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Dies sind meine fünf Cent zum bunten und farbenfrohen Aufruf. Den zweiten Beitrag findet ihr hier.

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Zum Auftakt der Interkulturellen Wochen in Saarbrücken lud mich eine gute Freundin zu einer Lesung ein. Harald Klein, seines Zeichens Vorderasiatischer Archäologe, würde aus seinem Roman „König der vier Weltgegenden“ lesen, in dem er Eindrücke seiner letzten Reise nach Syrien im Jahre 2010 sowie aus seinen Jahren als leitender Archäologe am Tell Chuera nahe Raqqa verarbeitet hatte. Als ich in der Stadtbibliothek ankam, erwartete ich, neben Auszügen aus dem Roman auch etwas über seine Ausgrabungen in Syrien zu erfahren. Worauf ich nicht gefasst war, waren die Emotionen, die mich an jenem Abend begleiten würden.

Harald Klein, dessen tiefe Verbundenheit mit dem Nahen Osten in jedem seiner Worte liebevoll mitschwang, wurde musikalisch, kulinarisch und sprachlich von Menschen unterstützt, die infolge des Bürgerkriegs in Syrien ihre Heimat verlassen mussten, die diese aber sorgsam in ihren Herzen und ihren Gedanken bewahrt hatten. Uns gewährten sie einen intensiven Blick auf diese Heimat, teilten mit uns Gefühle wie Sehnsucht und Freude, schenkten uns berührenden Klang und vermittelten unseren Herzen eine Ahnung von Aleppo und einen Hauch der Jezirah. Es war nicht einfach eine Lesung, sondern ein Bühnenstück. Der Theateregisseur Mwoloud Daoud hauchte den syrischen Figuren wie dem Dorfältesten Abu Abud, dem Vorarbeiter Hammud oder dem Blauen Fuchs Leben ein, verlieh ihnen für die Lesung arabische Stimme. Greifbar waren gegenseitige Achtung, Wertschätzung und die Faszination an der Kultur des Gegenübers – nicht nur, wenn es um die syrische Küche ging.

Zwischen den Kapiteln spielten Mwoloud Daoud und zwei junge Syrer(1) Musik aus ihrer Heimat, Musik der Beduinen aus der Wüste nahe Raqqa, Klänge, die mein Innerstes berührten. Als sie mich nach Aleppo entführten, durch dessen Straßen wandern und den alten Glanz wiederauferstehen ließen, den Sūq wieder zum Leben erweckten, haben sie mich tief bewegt. Mitreißend auch die Stimmen der Syrer*innen, die überall im Raum verteilt Platz genommen hatten, und die Lieder mitsangen, mit Händen und Füßen den Rhythmus aufgriffen und den ganzen Saal in das pulsierende Leben der Stadt mit den vielen Gesichtern eintauchten. Was diese Menschen an jenem Abend mit uns teilten, war nur ein Abglanz dessen, was sie in ihrer Heimat verloren haben und was sie zu bewahren gedenken. Ein Abglanz mit mächtiger Strahlkraft, der mich einmal mehr daran erinnerte, wie lebendig und vielfältig unsere Welt ist. Und wie schön sie sein kann. Er gemahnt mich an die einstige Größe des Reichs der Assyrer, an den kulturellen Reichtum des modernen Syrien. Einen Reichtum, der binnen weniger Jahre der Vergessenheit anheimfallen würde, müssten diese Menschen ihre Kultur in ihren Herzen verschließen und dürften sie nicht mit uns teilen.

Wer an diesem Abend nach Hause ging und immer noch an die Hoheit und Überlegenheit der westlichen, speziell der deutschen, Kultur glaubte, der hat nichts begriffen. Jede Kultur ist wertvoll, jede hat etwas zur Vielfalt in unserer Welt beizutragen. Es gibt kein „besser“ oder „schlechter“, „fortschrittlicher“ oder „rückständiger“. Jede ist, wie sie ist. Und das ist gut so. Denn in der Vielfalt liegt Kraft. Aus der Vielfalt entspringt Neues, nicht aus normiertem Einheitsbrei.

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Abschließend möchte ich mich dem Wunsch Harald Kleins anschließen, das er in seinem Vorwort an die Menschen aus Syrien richtet, frei nach dem Johannes-Evangelium:

Möge bald wieder Friede mit euch und all euren Landsleuten sein!

Denn auch, wenn ich Atheistin bin, kann ich den Gedanken hinter diesem frommen Wunsch nur aus tiefster Seele teilen.

Bis zum nächsten Mal,

Euer Nixblix.

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Ari TUR, König der vier Weltgegenden – Der Blaue Fuchs. Fines Mundi 2016. 224 Seiten. ISBN 978-3-937246-56-7.

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(1) Ich möchte diese Menschen nicht „Flüchtlinge“ nennen, möchte sie nicht auf eine einzige Erfahrung in ihrem Leben reduzieren, wo sie doch durch so viel mehr als nur das geprägt sind. Durch die Gerüche, die Klänge, die Farben ihrer Heimat, durch das dortige Klima, die Vegetation, die Landschaft. Durch die Sprache, die Religion und die Vielfalt darin. Ich nenne sie nach der Heimat, der sie sich zugehörig fühlen. Denn nicht die Flucht ist, was sie ausmacht, sondern ihre kulturelle Identität, die sie sich auf dem langen Weg in die Fremde bewahrt haben.

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